Das Band

Das Band Teil 1 (Eine "warme" Satire über das Fernsehen)

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Vorwort: Mir ist bewusst, dass dieser Blog Ihre "Geschmacksnerven" testen wird. Bitte lesen Sie meine Schreibe nur, wenn Sie in gelassener Stimmung sind. Ich will Sie ja nicht noch mehr aufregen. Bin mal gespannt wie tolerant dieses Esoterikforum ist. Aus einem anderen wurde ich schon raus geworfen, weil meine Texte angeblich den Usern nicht zugemutet werden können.


Das Band - Teil 1

von Rotten Weiler


In jener Zeit, als es sich auch in Juristenkreisen herumgesprochen hatte, dass der Mensch nun mal so ist wie er ist und der Hinterladerparagraph durch genetische Determiniertheit ausgehebelt worden war, also damals oder auch ein paar Jahre später, hatte ein Abiturient einen Geistesblitz.

Ganz im Sinne Lorenzscher Fulgration war ihm auf die Frage: "Was ist ein Kilojoule?" eine echt witzige Antwort eingefallen. Zumindest im Hinblick auf die
vorhergehende Nacht, die ihm tiefe Einblicke in wohl gefüllte Gläser mit Johnny Walker ermöglicht hatte, war es eine witzige Antwort.
Etwas distanzierter wäre es angemessen, von einer launigen Antwort zu sprechen, womit man sich aber auch schon wieder aufs schmelzende Glatteis
begibt. Jedenfalls signalisiert der exorbitante Verbrauch von J. W. einen eher konservativen Schüler.

Was antwortete nun der nahezu Gereifte mit 2,3 Promille Restalkohol im Blut auf die physikalische Schicksalsfrage?
"Eine Kilo Joule ist ein mit Schokolade bestrichener Tauchsieder mit 500 Watt."

Na und? Dass Schüler manchmal nicht viel wissen, wissen wir. Schließlich waren wir auch mal Schüler. Die gegebene Antwort hat also höchstens ein
müdes Schmunzeln zur Folge, es sei denn, der Rektor der Schule hat sich vor gerade mal 2 Wochen geoutet.

Es folgte ein echtes Männergespräch, von Mann zu Mann. Der Rektor war vom Ergebnis nicht so ganz befriedigt, während sich der Schüler für den Rest
seiner Schulzeit von den ewig Intoleranten anzüglichste Grinsereien gefallen lassen musste.
Kilo Joule konnte nun mit dem wirklich ermüdend flachen Pseudonym Rektum, das ein besonders schwacher Schüler für den Vokativ von Rektor gehalten hatte, kombiniert werden, und erfreute sich bei Repetenten einer gewissen Beliebtheit.

Fast zeitgleich fand antipodisch eine echt heiße Party statt, bei dem sich eine ganze Menge jener Menschen traf, die das Schicksal des Rektors teilten. Eine
Homo***uellenparty eben. 100 Mann, die geschlossen hinter einander standen und jede Menge Alkohol. Dazu ein paar she****s und ein paar ernsthafte Eifersüchteleien wegen eines "slip ouvert".
In einer Ecke wurden Joints durchgezogen, während sich andere die Nase puderten. Dekadenz vom Feinsten und absolut langweilig.

Wie überall, wo Tristesse unter die dröhnende Musik kriecht, warteten die weniger Benebelten auf einen Gag, der zumindest für ein paar Minuten ******trierte, dass sich der Mensch über den Affen hinaus entwickelt hat.

Handschellen sind hierfür wohl kaum geeignet, aber irgendwie war dieses Spielzeug der letzten Nacht auf einem der Tische gelandet. Vermutlich war es
einfach zu unbequem darauf zu sitzen.
Da lag nun dieses Symbol gefesselter Leidenschaft in seiner brutalen Nacktheit chromglänzend, kalt und steril herum und bot seine händeberingenden
Eigenschaften jedem an, der sie haben wollte.

Es fanden sich auch bald zwei Schwachköpfe, die sich öffentlich aneinander fesselten und fertig war der Partygag.

Großes Gelächter! Beifall! Die aneinander geketteten Arme werden hochgereckt und geschwungen. Gefesselt wurde getrunken, getanzt und so langsam nach dem Schlüssel gesucht.

Australien ist der männlichste Erdteil. Keine Frage. Danach kommt Südamerika, Macholand und die Antarktis. Um so verwunderlicher ist es, dass ausgerechnet auf einer australischen Schwulenparty die Idee einer gegenseitigen, auf längere Zeit abgestellten Fesselung entstand.
Wir wissen wie es wirklich war, verlorener Schlüssel und so, aber das will jetzt keiner mehr wissen.

Die zwei Aneinandergefesselten waren für ein paar Tage lokal eine echte Attraktion, was in einem Land wie Australien, in dem seltsame und kuriose
Einfälle zum Alltag gehören, wirklich etwas heißt.

Die Hitze und die ständige Reibung mit dem Metall führten schließlich zu Entzündungen an den Handgelenken, und der Spaß fand in einer Schlosserei sein
Ende. Ein funkensprühender Winkelschleifer führte die Trennung durch und die frisch Geschiedenen präsentierten, stolz wie Galeerensklaven nach einem Wettrudern, ihre geschundenen Gelenke.


Wer hat nicht in seiner Schulzeit mit ein paar eleganten Schwüngen, locker aus dem Handgelenk, mit Kreide, Sprühdose oder Farbstift jenes kleine
Männchen hingezaubert, das mit seiner Nase über einer Mauer hängt?
Dazu noch den sinnigen Spruch "*** brother is watching you", und Klassenzimmer, WC oder Mauer waren verschönert und verströmten einen Hauch Freiheit, was im Hinblick auf den literarischen Hintergrund des Spruches an sich paradox ist. In einigen Gegenden wird auch "killroy is watching you" verwendet, was der Vollständigkeit halber erwähnt sei.

Später, die Zeit der naiven Kritzeleien war längst vorüber, hat man sich dann im Fach Deutsch / Literatur gelangweilt als "1984" im Lehrplan stand und der "*** brother" zum schwarzen Mann wurde. Jahre später sollte das lebensklug gewordene Gehirn begreifen, dass George Orwell mehr war als nur ein Schriftsteller.

Mit Grausen wurde deshalb "*** brother" als Produkt der Film- und Fernsehschaffenden wahrgenommen, und es machte sich die Erkenntnis breit, dass das Zeitalter der fast vollständigen Ideenlosigkeit angebrochen war.
Alles war verfilmt und gezeigt worden. Die Remakes der remakes langweilten das übersättigte Publikum und Comedy war nur noch für Menschen mit nicht funktionierendem Langzeitgedächtnis erträglich.


In dieser Zeit war ein professioneller Witze- und Ideenrechercheur in einem verstaubten Archiv auf australische Zeitschriften gestoßen und hatte mit gierigen Augen die Geschichte unseres Handschellenliebespaares verschlungen. So eine Story war absolut heiß!

Vertrauensvoll sprach er darüber mit seinem Chef.

Der klaute ihm die Idee und die Rechtsabteilung prüfte eventuell vorhandene Rechte anderer Dritter an der Handschellensache. 18 Psychologen, 12
Soziologen und drei Mediziner begutachteten das Thema und dann wurde unter strikter Einhaltung der Rangordnung absolut locker diskutiert.


Handschellen, so hatten Psychologen und Soziologen bemängelt, würden der ganzen Produktion einen zu kriminellen Touch geben. Die Mediziner stimmten
zu, dachten dabei aber mehr an eine Chrom-Nickel Allergie.

Kabelbinder aus Plastik, jene absolut entwürdigende Art der Freiheitsberaubung wurde allein schon aus optischen Gründen ebenfalls verworfen.
Leder! Dieser Vorschlag musste einfach gemacht werden, obwohl jedem absolut klar war, dass SM nichts in der Show zu suchen hatte. Irgendwie ist eben
das System doch nicht so liberal, wie es sich gerne gibt.

Lederschlaufen mit Nieten hätten Situation und Motto allgemein sehr gut symbolisiert, waren aber noch weniger akzeptabel.

Schließlich einigten sich die Experten auf ein relativ elastisches Stoffband. Bunt, 40 cm lang, 5 cm breit, elegant in gefütterte Armringe übergehend. Eine echte Soft*p*o*r*n*o*
handschelle.

Da kann eigentlich nichts schief gehen, dachte der Produktionsleiter. Dasselbe dachte er auch vier Monate später, als er mit einer Schlinge um den Hals auf
einer Leiter stand und sich eine Pistole in den Mund steckte.

Lange wurde nach einem geeigneten Titel gesucht. Neben "Twins", "die Band", "das Band", "Nabelschnur", "Zwillinge aus Siam", "gequälte Lust in Ketten", "australischer Schwachsinn", "ewig verbunden" und "die geilste Idee" war auch noch "am laufenden Band" im Rennen gewesen.

"Twins" wurde aus rechtlichen Gründen verworfen. Die anderen Ausdrücke waren entweder zu medizinisch, zu erotisch, zu wenig originell, für eine andere
Produktion vorgesehen, oder wiederum aus copy und anderen rights nicht möglich.


Schließlich kehrte das Team zum Arbeitstitel zurück und der war schlicht und absolut aussagekräftig: das Band!

Anschließend durfte das Publikum per Telefon oder SMS wählen. Für eine Mark pro Anruf! Das sind ungefähr 49 Cent oder ziemlich genau eine echte
Verarschung.
Überraschendes Resultat der Abstimmung, die 294 567 Euro Reingewinn gebracht hatte: 87,45 % der Anrufer/innen hatten "das Band"
gewählt. Na bitte! Demokratie funktioniert doch.


Tatsächlich hatte es, inklusive öffentlicher Namenswahl, nur 4 Wochen gedauert bis alles ins Rollen kam und nach Probanden, Kontrahenten, Mitspielern,
Überläufern, Quislingen, Zwillingen, Schauspielern, kurz nach einem europäischen Äquivalent der australischen Deppen, öffentlich gesucht wurde.

Ich habe ab und zu mal alle Vorentscheidungen zu "Deutschland sucht den Supermann" gesehen und jetzt zu beschreiben, wie die zwei Personen gefunden
wurden, die sich für 2 - 4 Monate durch ein Band aneinander binden lassen wollten, wäre für mich echt zu viel, too much, ätzend und würde mich krätzig
machen.
Und euch auch, denn wer steht schon auf ein 27 -stündiges Vorspiel. Insofern habe ich so meine Probleme mit gewissen russischen Schriftstellern, die in
dieser Story sowieso nichts zu suchen haben.
Das wollte ich nur mal so erwähnen, ohne jetzt weiter ins Detail zu gehen. Das nervt doch total, wenn sich so eine Geschichte immer länger hinzieht: Die
Eltern beschrieben werden, deren Kinder, Enkel, Neffen, Nichten, Diener, Haustiere, Affären mit Konkubinen, Affären mit Haustieren, Affären mit
Gartengeräten, Staatsstreiche und Stadtstreicher und schließlich zwei Männer, die Brüder sein könnten, aber keine sind.

Das sind unsere Kandidaten. Falls sie quer gelesen haben: die Begründung hierfür finden Sie 3 Sätze früher.

Zwei junge Männer hatten den Kontest gewonnen. Beim Wet-T-shirt-Wett-bewerb. An diesem Wort ist möglicherweise einiges völlig falsch, aber dadurch
passt es perfekt zu dieser Story.



Mit vom vielem Bodybuilding gestählten Körpern und von noch mehr Anabolika angegriffenen Lebern, wurden die zukünftigen Helden des Bandes
präsentiert.
Die Regeln waren einfach. Es ging darum, möglichst lange zusammen zu leben, durch das Stoffband verbunden. Eine Art Ehe, aber mit sichtbarer Fessel.
Dass die Jungs verheiratet waren und beide je schon zwei Kinder hatten, spielte dabei keine Rolle. Das Fernsehen inszenierte einfach eine öffentliche Parallelehe
am Bande und der Rest war unwichtig.

Für den ersten Monat wurde jedem eine Prämie von 20 000 Euro versprochen, dann sollten die Prämien von Monat zu Monat ansteigen. Außerdem gab es
noch spezielle Aufgaben für die Kandidaten zu bewältigen, die zusätzliche Gewinne brachten.
Um die Phantasie anzuheizen, wurde ein theoretisch erreichbarer Wert von 10 Millionen genannt. Wie der zustande kommen sollte wurde aber nicht weiter erklärt.
Am Ende der Show sollte tatsächlich ein Kandidat, bzw. dessen Frau 3 Mios bekommen, aber es war nicht das Geld aus der Show, sondern aus der
Lebensversicherung.

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Aktualisiert: 25.04.2009 um 22:34 von Rotten Weiler

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Kommentare

  1. Avatar von Schneeflocke
    spannend - ich lese weiter obwohl es schon spät ist